Mireille Gigandet-Donders

Elternecke – Von der Rolle als Sportmutter – Mireille Gigandet-Donders im Interview

Von der Rolle als Sportmutter

Mireille Gigandet-Donders war einst die schnellste Schweizerin und das grosse Vorbild von Visana- Sprint-Botschafterin Mujinga Kambundji. Heute hat sie selbst zwei Kinder, die Leichtathletik betreiben. Wie lebt sie die Rolle als Sportmami und wie sieht ihre Beziehung zur Hallenweltmeisterin aus? Mireille Gigandet-Donders erzählt es uns im Interview.

Ende 90er, anfangs 2000er Jahre war sie in der Schweizer Leichtathletik das, was Mujinga Kambundji heute ist: Mireille Gigandet-Donders gewann zwischen 1996 und 2001 acht Schweizer Meistertitel über 100 und 200 Meter sowie weitere zwölf Schweizer Meistertitel in der Halle (60 und 200 Meter). Zudem war sie Schweizer Rekordhalterin über 100 Meter sowie über 60 und 200 Meter in der Halle. Zu ihr haben die jungen Athletinnen damals hochgeschaut, davon geträumt, mal so schnell zu werden wie sie. Oder gar noch schneller, wie eben Visana Sprint-Botschafterin Mujinga Kambundji. Heute steht Mireille Gigandet-Donders mit ihren Kindern (Florence, 13 Jahre und Yves, 10 Jahre) an der Leichtathletikbahn und feuert das grosse Schweizer-Sprintidol an. Dann blickt sie in die strahlenden Augen ihrer Kinder und denkt auch ein bisschen an jene Zeit zurück, als sie auf der Bahn die Schnellste war.

 

Visana Sprint: Leichtathletik war lange deine grosse aktive Leidenschaft. Auch dein Mann Michel Gigandet war Teil der Schweizer Leichtathletik (ehemaliger Schweizer Top-Stabhochspringer, Anm. d. Red.). Wie bist du heute noch mit der Leichtathletik verbunden?

Mireille Gigandet- Donders: Vor allem als Fan der eigenen Kinder und natürlich von Mujinga. Florence und Yves betreiben mittlerweile seit ein paar Jahren Leichtathletik. Da ist man zwangsläufig auf der einen oder anderen Leichtathletikanlage anzutreffen. Bei Mujinga fiebern wir natürlich ebenfalls mit, entweder am Fernsehen oder wenn es klappt auch vor Ort. Als Trainerin bin ich momentan aber nicht tätig.

 

Du warst Schweizer Rekordhalterin über 100 Meter, dein Mann ein Top-Stabhochspringer. Wie klar war es, dass eure Kinder den Weg in die Leichtathletik finden?

Das war eher Zufall. Florence spielte Tennis, Yves auch und ging er zusätzlich ins Karate. Bei einem Schnuppertraining mit Klassenkameraden hat es Florence in der GGB (Gymnastische Gesellschaft Bern, Anm. d. Red.) so gut gefallen, dass sogar der kleine Bruder nach ein paar Abendessen-Geschichten über das Training sofort auch hin wollte. Leichtathletik ist halt für alle cool. Es hat für jede und jeden etwas. Und über die Nachwuchsprojekte im Verband können sich die Kinder gut entwickeln. Für uns als Eltern passt das natürlich auch, dass die beiden Spass an der Leichtathletik haben. Es war damals eine sehr schöne Zeit und ich hätte Freude, wenn sie auch diesen «Spirit» erfahren dürften.

 

Was ist aus deiner Sicht das Wichtigste in der Rolle als Eltern bei sportaktiven Kids?

In erster Linie hat man die Rolle als Taxifahrerin (lacht). Leichtathletik kann man gut in der Nähe machen. Auch bei uns in Bolligen hat es einen tollen Turnverein. Beide trainieren aber bei der GG Bern, wie ihr Papa früher. Und ehrlich gesagt, macht es auch Spass zu sehen, wie die Kinder selbständig werden. Sie sind in der Gruppe mit anderen Kids zusammen, tauschen sich aus und organisieren sich. Es scheint mir wichtig, dass man als Eltern lernt, loszulassen. Vor allem die Grosse will jetzt auch schon alleine an Wettkämpfe gehen. Da muss die Mama nicht unbedingt immer mitkommen.

Deshalb versuche ich unsere Kinder schlicht und einfach zu begleiten. Notfalls sind wir als Eltern da. Wir schauen, dass sie genug und das Richtige essen und dass die Regeneration nicht zu kurz kommt. Zudem müssen wir auch unseren Kindern zwischendurch mal sagen, dass sportliche Resultate nur relativ sind. Die Erwartungen der Kinder an sich selbst sind manchmal sehr hoch. Sie vergessen, dass sich Gleichaltrige körperlich sehr unterschiedlich entwickeln. Bei unseren Kindern steht die persönliche Entwicklung im Zentrum. Und die lässt sich über Sport, vor allem auch in der Leichtathletik, sehr gut formen.

 

Eine grosse Herausforderung ist sicherlich die Organisation. Das Tages- und Wochenprogramm von Kinder ist heute oft durchgeplant. Wie schafft ihr das? Wie organisiert ihr euch?

Das ist bei uns natürlich genauso herausfordernd wie bei allen anderen Familien. Die Schule ist sehr wichtig und steht im Fokus. Rundherum planen wir die anderen Aktivitäten. Ich finde es wichtig, dass sich meine Kinder neben der Schule beschäftigen. Es gibt also einige Fixpunkte, bei denen wir sie mit den angesprochenen Taxifahrten unterstützen. Sie sind aber bereits sehr selbständig. Zweimal pro Woche gehen sie mit dem ÖV zum Training nach Bern. Wir holen sie anschliessend ab. Klar, eine gute Planung ist wichtig und hilft, nicht allzu stark in Stress zu geraten.

 

Ihr seid Eltern und nicht die Trainerin oder der Trainer eurer Kinder. Fällt es dir schwer, mit deinem grossen Leichtathletikwissen und deiner Erfahrung in der Mutterrolle zu bleiben?

Ich glaube, dass es für meine Kinder nett anzuhören ist, wenn ich und mein Mann etwas aus unserer sportlichen Vergangenheit erzählen. Aber die grossen Leichtathletikerfolge ihrer Eltern sind für sie nicht wirklich fassbar. Sie haben andere Vorbilder, wie eben Mujinga mit ihren riesigen Erfolgen. Sie schauen zu ihr hoch und das ist auch richtig so. Aber wenn sie Lust haben, geben wir unser Wissen gern weiter. Vielleicht kommt mal die richtige Zeit dafür. Aktuell haben sie ihre Trainerinnen und Trainer und wollen solche Dinge von ihnen statt von den eigenen Eltern hören. Die Trainer in der Schweiz haben gute Ausbildungsmöglichkeiten und viele sind mit sehr viel Herzblut dabei. Wir sind ihnen sehr dankbar. Was gibt es schöneres, als wenn ein Kind fragt, wann das nächste Training sei und nicht «muss ich schon wieder gehen?»

 

Deine Kinder haben sicherlich auch Wettkämpfe, an denen es nicht läuft wie erhofft. Wie unterstützt du sie in solchen Fällen?

Trösten steht da im Vordergrund. Bei Florence heisst es aufstehen, «Krönli» richten und weiterfahren. Sie kann alles sehr schnell und rational analysieren. Bei Yves gibt es vielleicht auch mal ein Glacé, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Man ist einfach da für die Kids. Das ist eben auch ein Teil des Begleitens von Kindern. Manchmal besprechen wir auch, warum es ausgerechnet heute nicht so super gepasst hat. Aber in erster Linie versuchen wir den Kindern aufzuzeigen, dass es Teil des Lebens ist, und dass nicht jeden Tag alles klappen kann.

 

Mujinga erzählt immer wieder, dass du ihr grosses Vorbild gewesen seist, als sie eine junge Athletin war. Was bedeutet dir das?

Das bedeutet mir sehr viel. Ich mag Mujinga sehr und auch ihre Familie. Ich kenne Mujinga seit sie ein kleines Mädchen war. Wir sind im selben Verein und hatten zeitversetzt den gleichen Trainer. Uns allen war schon früh klar, dass sie sehr talentiert ist. Und wir haben ihre Karriere natürlich stets verfolgt, mitgefiebert, mitgelitten und mitgefeiert. Regula Anliker (vormals Regula Aebi, ehemalige Schweizer Rekordhalterin über 200 Meter in der Halle, Anm. d. Red.) hatte mich damals eingeladen, als ich ihren Schweizer Rekord gebrochen hatte. Ich fand das eine tolle Geste und wollte das mit meiner Nachfolgerin auch mache. Für mich war es natürlich besonders schön, dass Mujinga meine Nachfolgerin wurde.

Vor den Olympischen Spielen in London sind wir gemeinsam in die britische Hauptstadt gereist und haben uns die Stadt angesehen und ein Musical besucht. Dabei habe ich ihr von meinen Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Atlanta und Sydney erzählt. Ich habe immer versucht, sie ehrlich zu beraten. Daraus ist auch ein intensiver Austausch entstanden, der vor allem in Mujingas jungen Jahren regelmässig stattfand. Die ganze Familie freut sich, wenn wir Mujinga treffen. Wir «Berner» sind eine grosse Leichtathletikfamilie und freuen uns, wenn jemand Erfolg hat.

 

War dir während deiner aktiven Karriere bewusst, dass viele junge Mädchen zu dir hochschauen?

Ja und nein. Ich war in meiner Aktivzeit nie Vollprofi. Ich habe nebenbei immer noch unterrichtet und nie ganz auf die Karte Sport gesetzt. Vielleicht hatte ich auch deshalb ein anderes Verhältnis zum Sport und zu meinen Leistungen. Klar war es schön, wenn man eine Autogramm geben konnte. Aber Leichtathletik war für mich immer Teil eines Lebens mit vielen Elementen. Und ehrlich gesagt, war für mich auch immer klar, dass da noch mehr junge Athletinnen kommen, die schneller sein werden.

 

Vorbild sein und etwas vorleben ist also zentral. Was sind deine Tipps für die optimale Rolle von Sporteltern?

Mir scheint wichtig, dass man sich von Resultaten nicht blenden lässt. Es muss nicht sein, dass jemand eine erfolgreiche Sportkarriere vor sich hat, wenn sie oder er bereits in jungen Jahren vorne in der Rangliste zu finden ist. Die Erwartungshaltung an die eigenen Kinder muss man zügeln. Diese steht nicht im Fokus, wenn es darum geht, dass Kinder Sport treiben. Dennoch finde ich es wichtig, dass unsere Kinder Regeln in Zusammenhang mit dem Sport einhalten. Steht am nächsten Tag ein Wettkampf an, geht man zeitig schlafen. Auch auf die Ernährung achten wir. Klar, ein Glacé nach dem Wettkampf soll ruhig drin liegen. Aber die Kinder sollen auch verstehen, dass Ernährung und Erholung wichtig sind, wenn man sein Hobby mit gutem Gefühl ausüben will. Das alles aber im Rahmen und mit gesundem Menschenverstand machen. Zentral ist, dass sich dieKindern dabei wohlfühlen. Wir glauben fest daran, dass so unsere Kinder vor allem die positiven Emotionen im Sport erleben dürfen. Wie kürzlich im Juni, als Yves beim Citius-Meeting in Bern im Ziel von Mujinga erkennt worden ist. Er strahlte über beide Backen.

Interview: Andreas Cueni

 

Entdecke weitere Themen in der Elternecke